Ob ein Text als Kunstwerk Geltung beanspruchen kann, zeigt sich nicht zuletzt an der Gestaltung seines Endes. Die Literaturwissenschaft hat sich bislang jedoch kaum systematisch mit dem Textende befasst. Diesem Desiderat entspricht die vorliegende Arbeit in Bezug auf erzählende Texte des deutschen Mittelalters. Methodisch wird dazu jedes Textende als Zusammenspiel von Handlungsende, Textschluss und materiellem Textende beschrieben. Historisch werden etwa 30 Texte aus dem Zeitraum vom 9. bis zum 16. Jahrhundert detailliert untersucht.
Dabei erweist sich die althochdeutsche Literatur als strukturell mündlich geprägt und strebt einen quasi formelhaften Schluss an. Je eigene Deutungsabsichten des Stoffes zeigen die Schlussgestaltungen der deutschsprachigen Tristandichtungen. Hartmann von Aue entwickelt in seinen erzählenden Texten eigenständige, von den Vorlagen abweichende Schlusskonzeptionen. Spätmittelalterliche Erzählungen vom Ehebruch versuchen, Anschlusskommunikation zu initiieren und zu steuern.